kratzen an der wahrheit des papiers
bernard boissel
zeichnungen 1973 – 2014

»Will man Boissel im Feld einer Kunsttheorie verorten, bietet sich einzig Informel, die informelle Kunst an. Lexikalisch wird sie so definiert: konstitutiv sei das Spannungsfeld von Formauflösung und Formwerdung. Nach Rolf Wedewer umschließt sie zwei differente Ausdrucksweisen, das Gestische und die Texturologien. Zu ihren Merkmalen zählen die Formlosigkeit und die Spontaneität in der künstlerischen Produktion. Farbe und andere bildnerische Materialien werden autonom eingesetzt. Der Arbeitsprozess unterliegt keinen starren Regeln, er folgt auch Bewegungen des Unbewussten und ganz grundsätzlich der situativen Intuition.

Bernhard Boissel hat das Glück, dass diese Muse ihn immer wieder küsst, ihm die geübte Hand führt. So entsteht seine Kunst, die diesen Begriff verdient und schon von da her Dauer und Wert erhält. Es gibt sie noch, die künstlerische Qualität, trotz aller Wirren.«

Dr. Jochen Boberg, Berlin

 

»Die Echtheit des Augenblicks

Das weiße Blatt, was hält es aus, wenn wenige Sekunden lang Farben durch die Lüfte aufs Papiers springen, kurz die Fläche berühren, nur das Jetzt halten, kein Vorher, kein Danach?

Was hält die Zeit aus, in der das Bild entsteht, das Abbild eines Augenblicks, unwiederholbar und einmalig?

Rauschhaft bleibt nur der eine kurze Moment des Immer-weiter-Wollens, wohin … niemand weiß es; selbst Boissel nicht. Er kennt nur das Vorwärtsdrängen, und den heiligen Augenblick des Jetzt, in dem ihm das ein weiteres Mal gelungen ist.

Seine Spur ist eine Fährte, die in die Abstraktion führt: Daraus abzuleiten keine Themen, keine Figuren, keine Erinnerungen, keine Wirkungszusammenhänge, keine Schlussfolgerungen, keine Bekenntnisse.

Die Echtheit des Moments, dafür gibt Boissel seine Zeit – und dann lässt er sie fallen, entfernt sich vom eigenen Wollen, trennt sich, vergisst und zeichnet. Nur seinem eigenen Vermögen ausgeliefert, schafft er die Abstraktion eines Moments.

Im Angesicht des neuen Werks kommen Fragen: Was hält die Echtheit aus, wie viel Ausdruck im feinsinnigen Spiel, wie viel des flüchtigen Huschens über die Fläche – winzige Unterschiede von Zuckungen in Strich und Farbe – wie viel Spontaneität in all ihren Ausprägungen, wie viel der leisen Wucht von Bewegungen, keine wie die andere, wie viel unbekümmertes Aufbäumen, aufbegehrendes Lachen, manchmal ein bisschen lauter, bedenkenlos und unmittelbar?

Boissel antwortet. Er nimmt ein neues weißes Blatt, greift zum Stift, der Kopf wird frei und er tanzt.«

Ulrike Damm

kratzen an der wahrheit
Herausgegeben von
Ulrike Damm
Damm und Lindlar Verlag
Paperback mit Schutzumschlag
256 Seiten
235 Farbabbildungen
16,5 x 24 cm
erschienen im März 2015
25 Euro
ISBN 978-3-9815294-5-6

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